am 03.02.2014 um 15:53 - 5 Tage nach dem Einzug |
"Stromfasten"
Bevor ich mit der Beschreibung meines neue Zuhauses beginne, will ich zuerst über eine tolle Erfahrung berichten.
Am 29.01.2014 bin ich in ein mir unbekanntes Haus eingezogen. Der Umzug mußte sehr schnell geschehen, so daß mir die Zeit für Instandsetzungsarbeiten fehlte. Mein Zeugs war in allen verfügbaren Räumen und auf allen freien Flächen verteilt, auch vor dem Haus wurde einiges gelagert, was einige Mitbewohner als Einladung zur Selbstbedienung auffaßten. Na da war was los. So giftig hat mich hier noch nie jemand erlebt. Nur weil kein Zaun das Grundstück abgrenzt, wird nicht automatisch alles zum allgemeinen Eigentum.
In den Wänden der Räume waren Löcher, in denen vormals Steckdosen und Schalter ihren Dienst taten. Strom gab es sowieso nicht, aber Wasser war da, wenn auch so kalt, daß ich mich wunderte, wieso keine Eiswürfel aus dem Wasserhahn kommen.
Geld war gerade knapp und ich kann keine Elektroinstallationen durchführen und ehrlich gesagt, ich will es auch nicht. Also beschloß ich, erst einmal auf den Strom zu verzichten.
Der Tag verkürzte sich extrem. Ich konnte in der Wohnung nur bei Helligkeit aktiv sein und im Winter sind das nicht viele Stunden, vor allem nicht bei schlechtem Wetter. Selbst wenn es draußen noch hell ist, mußte ich in der Wohnung schon eine Lichtquelle benutzen. Das war mir vorher gar nicht bewußt. Klar, reflexartig zum Lichtschalter gegriffen. Und dann hatte ich von 16 bis 8 Uhr Zeit, mir Gedanken über eine sinnvolle Freizeitgestaltung zu machen. Pläne schmieden, Einkaufslisten für die nächsten Jahre zusammenstellen, Bücher sortieren und ungelesenes heraussuchen. Das erste Problem war eine ausreichende Beleuchtung beim Lesen. Neuanschaffungen kamen nicht infrage. Im Baumarkt hatte ich ein Imitat einer Petroleumlampe erstanden. Die 9,00 € hätte ich besser in Blumensamen investiert. Innerhalb weniger Stunden war der Docht verbraucht und nachgekaufte Dochte verbrannten noch schneller. Kerzen auf dem Couchtisch und ein bequemes Lesen auf der Couch daneben, stellte sich als Wunschdenken heraus. Um die Buchstaben zu erkennen, bedurfte es einer besonderen Haltung, die ich nur mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und diversen Haltungsschäden bewerkstelligen konnte. Also Taschenlampe. Einige Tage später und mehrere Umzugskartons weniger, war ich im Besitz zahlreicher Beleuchtungsobjekte. Ich konnte mich gar nicht erinnern, so viele Taschenlampen mein Eigen zu nennen. Eine ausziehbare Halogenleuchte mit einem aufladbaren Akku zum Beispiel, der auch noch voll war. Auch 2 kleine, 4-strahlige Halogenleuchten, die sich unter ein Regalbrett kleben lassen, um dieses zu beleuchten. So hatte ich Licht im Bad.
Die ersten Investitionen flossen in die Anschaffung von Futterhäuschen und Vogelfutter. Schon am 2.Tag nach meinem Einzug wurden sie aufgehängt. Mein morgenliches Warten auf die Helligkeit verkürzte ich mir, in dem ich den Vögeln im Garten und vor dem Haus zusah. In diversen Büchern, versuchte ich die Namen zu finden.
Eine andere Hürde war das Essen. Kaffee stellte kein Problem dar, denn heißes Wasser hatte ich, dank zweier Kaminöfen, immer. Brote machen ging gut, da ich die Lebensmittel auf der Fensterbank kühl halten konnte. Aber Kochen ging nicht. Also Konserven, oder improvisieren. Salate, Obstteller, Tiefkühlgemüse ging auch. Plötzlich verzichtete ich nicht nur auf Strom, sondern auch auf einen üppigen Kaffeegenuß, auf Teigwaren, Kartoffeln, Fleisch. Der Wasserverbrauch verringerte sich erheblich. Dafür wurde ich immer kritischer bei der Auswahl meiner Lebensmittel im Supermarkt. Müll produzierte ich nur noch in Form von Papier, Plastik, Metall und Kompost. Hausmüll für die Tonne gab es nicht.
Mitte Februar war ich fasziniert davon, wie schnell die Tage länger wurden. Ich hatte es noch nie derart intensiv beobachten können. Inzwischen war der Großteil der ungelesenen Bücher regelrecht verschlungen worden und ich war begeistert, welche Schätze sich unbemerkt in meine Regale geschlichen hatten. Ein Buch begeisterte mich besonders: Antonio Lobo Antunes "Einblick in die Hölle". Ohne jeglich Ablenkung beim Lesen konnte ich mich ganz auf diese ungewöhnliche, bildhafte Sprache des Autors einlassen. Mit Strom wäre mir das nicht möglich gewesen. Zu groß wären die Möglichkeiten gewesen, das komplizierte Lesen gegen etwas anderes einzutauschen.
Ein kleines Radio fand ich auch. Es war in einer Taschenlampe integriert. 2 regionale Sender empfing ich damit. Also echt, Information ist etwas anderes. Die Nachrichten blieben den ganzen Tag über dieselben, zu jeder vollen Stunde 3 Minuten unnützes Zeug. Der Wetterbericht war das Interessanteste, allerdings stellte ich fest, daß die Region, in der ich wohne, nie großartig beachtet wurde. Und je weiter der Frühling voran schritt, um so häufiger wurden Wildunfälle in den Verkehrsmeldungen genannt.
Mit Hilfe alkoholischer Getränke hatte ich auch versucht, mir die Nächte zu verkürzen, quasi im Vollrausch schon um 19 Uhr einzuschlafen. Das hat überhaupt nicht funktioniert. Ich könnte gar nicht nicht einschlafen, alle Geräusche waren überdeutlich zu hören und am Morgen gab es Kopfschmerzen gratis.. So habe ich das mit dem Wein und dem Prosecco gelassen.
Dafür entdeckte ich das Briefe schreiben neu für mich. Nach dem ich jahrelang Mails verschickt hatte, fehlte mir plötzlich ein Rechtschreibprogramm. Öfter, als angenommen, bemühte ich den Duden. Korrekturen auf Papier sehen auch nicht wirklich toll aus. Aber der Mensch ist lern- und erinnerungsfähig. Bald konnte ich wieder zu meiner Zufriedenheit formulieren und der Duden wurde auch wieder zurückgestellt. Und bei Sonnenschein nachmittag im Garten, hat es wirklich Spaß gemacht.
Als die Tage länger und wärmer wurden, startete ich mit der Gartenarbeit. Bäume und Sträucher schneiden. Einiges Aufräumen usw.
Allmählich füllte sich der Tagesablauf bis zum Dunkelwerden randvoll. Von 17 bis 18 Uhr bereitete ich mich auf die Dunkelheit vor. Alles aufräumen, mich waschen, diverse Utensilien am Bettrand stapeln, wie Wasserflasche, Bücher, Zeitschriften, Schreibpapier, Stift, Kerzen, Feuerzeug und Taschenlampe. Das war schon ein liebgewonnenes Ritual geworden. Das Gleiche war am Morgen. Vom Bett aus kann ich in den Nußbaum im Garten blicken. Pünktlich 7:30 und später denn auch schon 7:00 kam ein Kleinspecht zum Frühstück. Meisen und Spatzen sowieso. Die Amseln hielten sich unter den Büschen auf. Die sah ich erst beim Aufstehen.
Heute ist der 25.03.2014. Seit dem Vormittag fließt der Strom in den Leitungen. Eigentlich schade. Mit etwas Wehmut denke ich jetzt schon an die stromlose Zeit zurück. Mein Leben hatte sich verlangsamt. Prioritäten verschoben sich und mein Blick auf den Alltag hat sich verändert. Ich bin erholter, fröhlicher und kenne nun die Vögel, die mein Grundstück besuchen. Jedoch habe ich einige nächtliche Geräusche im Haus immer noch nicht identifizieren können. Ach ja, Wäsche waschen mit der Hand, ist auch nicht so schlimm. Angenehmer wäre es allerdings, wenn das Spülwasser warm ist. Teppiche bekommt man auch ohne Staubsauger sauber. Und ein Leben ohne Computer ist möglich, auch ohne Fernsehprogramm. Ich habe nie über Sendungen nachgedacht, die ich verpaßt habe. Das hat mich doch erstaunt.
Fazit: für immer könnte ich nicht auf den Strom verzichten. Mir haben meine CDs gefehlt.
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